Stress: Sinnfindung statt Überlastung

Nur wer in einer Führungsposition sitzt, hat ein Anrecht darauf gestresst zu sein? Falsch! Man weiß heute, dass sich Stress und Burnout Symptome quer durch alle Bevölkerungsschichten und in jeder Berufsgruppe zeigen. Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie, sprach bereits in den 1950-er Jahren von der Managerkrankheit, die mit einer tiefen Sinnkrise einhergeht. Anhaltender Arbeitsfrust führt zur Sinnkrise und kann Angestellte genauso treffen wie Alleinerzieher*innen, Teilzeitkräfte und Arbeitssuchende.


Gesellschaftliches Ansehen durch Stress

Kennen Sie mehr Menschen die über Stress klagen statt über Langeweile? Gestresst zu sein ist heutzutage fast schon ein gesellschaftliches Muss. Nur wer seine Leistungsfähigkeit und ständige Erreichbarkeit unter Beweis stellt, meint Anerkennung zu finden. Zudem ist Präsentismus ein bereits weitverbreitetes Phänomen in der modernen Arbeitswelt und für die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen gilt es als selbstverständlich, krank zur Arbeit zu gehen. Wen wundert es da, wenn viele Menschen an Erschöpfung und Frustration leiden?

 

Wozu brauchen wir Stress?

Verbinden Sie mit dem Wort „Stress“ rein negative Gedanken und Gefühle? Dabei war es gerade der Stress, der unser Überleben seit Anbeginn der Menschheit im „Dschungel der Gefahren“ sicherte. Bei unseren Vorfahren dienten Stressreaktionen dazu, den Körper in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen um bei gefährlicher Bedrängnis in der Lage zu sein, rasch zu reagieren. Entweder war der Weg des Überlebens durch die rasche Flucht vor dem Säbelzahntiger gesichert, oder man stellte sich durch Kampf der drohenden Gefahr gefressen zu werden. In beiden Fällen war es erforderlich, dass unser Körper in Alarmbereitschaft versetzt wurde: das Herz pocht schneller, die Atmung beschleunigt sich, die Muskeln spannen an und die Pupillen weiten sich. Der Körper ist „sprungbereit”. Im Gegenzug arbeiten die Verdauungs- und Geschlechtsorgane langsamer, da diese bei der drohenden Gefahr keine unmittelbare Unterstützung für den Überlebenskampf darbieten. Das Großhirn geht überwiegend „offline“ und die Reaktionen erfolgten instinktiv und dadurch schneller.

Mögen auch viele Millionen Jahre vergangen sein, seit uns Säbelzahnkatzen in Angst und Schrecken versetzt haben – die körperlichen Reaktionen auf Stress sind heute noch dieselben wie damals. Allerdings wird Stress heutzutage durch Reizüberflutung, Zeit- und Leistungsdruck, Konflikte und Schicksalsschläge ausgelöst. Wobei sich ein Mensch gestresst fühlt und wie er mit der Situation fertig wird, ist sehr individuell und an persönliche Erfahrungen gebunden.

 

Körperliche Symptome schönreden

Wer ständig über seine Grenzen geht, bekommt dich Rechnung oftmals über den Körper präsentiert: Nach dauerhafter Überlastung schleichen sich „Wehwehchen“ wie Kopfschmerzen, Rückenprobleme, Magen-Darmprobleme, Kreislaufbeschwerden, Schwindelgefühl uä. ein. Diese redet man anfangs als vorübergehende Unpässlichkeit noch schön und bezwingt sie mit Tabletten, um wieder rasch einsatzfähig zu sein. Wagt man nach anhaltenden Beschwerden dann doch den Weg zum Arzt, wird man zumeist mit einer Diagnosen ohne Befund nachhause geschickt und macht weiter wie bisher. Anhaltender Stress kann aber letztlich zu schweren Herz/Kreislauf- und Nierenerkrankungen, Stoffwechselstörungen, Allergien und Entzündungskrankheiten führen.

 

Einfluss von negativem Stress auf die Psyche

Unsere Psyche, das System des menschlichen Körper für Wahrnehmung und Denken, bleibt von den ständigen Belastungen und den körperlichen Beschwerden nicht unangetastet. Folgen anhaltender Überforderungen auf psychischer Ebene können Gereiztheit, Gedankenkreisen, Nervosität, innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit bis hin zur Depression sein.

 

Neurotransmitter geben Auskunft über die aktuelle Stressbelastung

Wie lässt es sich also feststellen, ob dauerhafte Überforderung bereits Auswirkungen auf das Stresssystem des Zentralen Nervensystems hat? Ein Neurostress-Test kann Klarheit verschaffen: dabei werden mittels einfachem Urintest die Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin) und Aminosäuren (GABA und Glutamin) gemessen. Je nach Ergebnis werden stressabbauende Maßnahmen – auch mit Unterstützung von Mikronährstoffen – eingeleitet. Genauere Informationen finden Sie darüber auf meiner Website:

https://www.stuetzpkt.at/angebote/#neurostresstest

 

Burnout – ein schleichender Prozess

Oftmals lässt es sich im Nachhinein nicht mehr sagen, wann man in den Sog eines schleichenden Burnout-Prozesses hineingezogen wurde. Von außen betrachtet lassen sich rigide Ziele ausmachen, die es zu erreichen gilt, zu streng gelebte Werte und ein hohes Maß an Ergebnisorientiertheit, die den Nährboden dafür legen. Durch diesen engen Handlungskorridor verengt sich auch die Sicht auf die wesentlichen Dinge im Leben und die eigenen Gesundheit – man verliert den Überblick über sich und das Leben. Wer sich zudem über Leistung und beruflichen Erfolg definiert und diese als Quell der Befriedigung von Bedürfnissen festmacht, z. B. menschliche Anerkennung, Wertschätzung, Liebe, Sichtbarkeit etc., der ist süchtig nach Leistung und Arbeitsverwirklichung.

Wie sich die Spirale von einer mäßigen Mehrbelastung bis zum ausgewachsenen Burnout nach unten entwickelt, lässt sich anhand der nachstehenden Abbildung verdeutlichen:

(Basler & Gattinger, 2014, S. 184)

Falle „Arbeitslust“

Wer Spaß an der Arbeit hat, der kann kein Burnout bekommen“ – eine Meinung, die leider nicht ganz der Wahrheit entspricht. Auch wer Freude an seiner Arbeit hat, darin Erfüllung findet, kann in ein Burnout geraten, wenn er die Zeichen der Überforderung übersieht. Denn der Körper kann zwischen positiven (Eustress) und negativen Stress (Distress) nicht unterscheiden, er beeinflusst den Stoffwechsel des Körpers gleichermaßen. Wenn das Wollen dem Müssen weicht, dann hat sich durch ständige Überforderung und Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse die einstigen Arbeitslust zum Arbeitsfrust gewandelt.

Fazit: Wer ständig über seine Grenzen geht, ungeachtet dessen, ob es mit positiver Motivation oder negativem Frust geschieht, schadet seinem Körper und seiner Psyche und ist am besten Weg zum Burnout.

 

Konzepte zur Stress- und Burnoutprävention in der Beratung

In der Beratung hat sich die Stress-Ampel nach Kaluza als ein bewährtes Modell erwiesen, um die Ebenen eines Stressgeschehens für Klient*innen sichtbar zu machen. Dies verschafft Klarheit über oftmals unbewusste und automatisierte Haltungen und Handlungen bei Stress. Die Stress-Ampel zeigt Klient*innen die Mechanismen der Stressentstehung und das komplexe Wechselspiel zwischen Situation, Bewertung und Reaktion auf.

Kaluza (Kaluza, 2018) unterteilt Stress in drei Komponenten.

Die 3 Ebenen des Stressgeschehens – Stress-Ampel:
Stressor – Persönliche Stressverstärker – Stressreaktion

(Kaluza, 2018)

Im Sinne des salutogenetischen Gedankengutes, habe ich in meiner Arbeit mit KlientInnen einen von mir erweiterten Zugang gewählt, der sich mit der Haltung und Handlung für Erholungsbedarf befasst :

Die 4 Ebenen der Entspannung:

  1. Entspannungshaltung: Ich entspanne mich am besten, wenn…
  2. Entspannungsverstärkung: Für gute Entspannung brauche ich …
  3. Entspannungsreaktion: Wenn ich entspannt bin, dann bin ich…
  4. Potentialentfaltung: Wenn ich entspannt bin, dann kann ich …

Dieses von mir erweiterte Konzept hat sich als hilfreich erwiesen, da meine KlientInnen während des Beratungs-Settings sich ihrer Selbstwirksamkeit für ihr persönliches Entspannungspotential gewahr werden und den Nutzen einer entspannten Haltung im Umgang mit Herausforderungen erkennen können.

 

Belohnungsaussicht als Burnout-Falle

Wenn du schön brav bist, bekommst du ein Eis.“ Wenn du in der Schule einen Einser schreibst, dann kauf ich dir das Spielzeug“.

Diese in Aussicht gestellten Belohnungen als Erziehungsmodell unserer Kindheit verlieren bis in das Erwachsenenalter nicht an Reiz. Der Mensch ist ein Kosten-Nutzen-Rechner und wenn die Belohnung stimmt, hat sich der Einsatz bezahlt gemacht.

Wenn ich das Projekt nun rasch umsetzte, dann bekomme ich von meinem Chef vielleicht einen größeren Bonus“. Als Kind mögen wir uns noch verführen lassen, als Erwachsene entscheiden wir selbstverantwortlich, welche arbeitsintensive Investition wir tätigen, um die gewünschte Belohnung zu erhalten, die unseren Erwartungen entspricht. Wir selbst sind es, die vielleicht sogar auf Kosten unserer Gesundheit sich vom Reiz der Belohnung verführen lassen. Und wenn die ersehnte Belohnung ausbleibt, dann steigern wir unsere Arbeitseinsatz. Irgendwann muss der Chef doch erkennen, wie unersetzbar wir für die Firma sind. So strudeln wir uns immer mehr ab, bis die Burnout-Falle zugeschnappt hat.

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ (Frankl zit. nach Simon, 2020, S. 31)

 

Raum für Sinn geben – Vertrauen aufbauen

Die Lehre Viktor Frankls bietet für das Berufsleben über die Frage nach dem Sinn zahlreiche Antworten. Viele Inhalte der Logotherapie lassen sich in das Arbeitsleben übertragen und wahrhaft sinn-voll einsetzten. Auf meiner Website finden Sie Fragen zur Selbstreflexion für Führungskräfte und MitarbeiterInnen. Finden Sie heraus, ob Ihre Arbeit sinn- & werteorientiert ist.

Reflexionsfragen für Führungskräfte: https://www.stuetzpkt.at/reflexionsfragen-fuer-fuehrungskraefte/
Reflexionsfragen für Mitarbeiter*innen: https://www.stuetzpkt.at/reflexionsfragen-fuer-mitarbeiterinnen/

Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminent psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert. Wer um einen Sinn seines Lebens weiß, dem verhilft dieses Bewusstsein mehr als alles andere dazu, äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden zu überwinden.“ (Frankl zit. nach Martens & Begus, 2018, S. 131)

 

Gelassenheit und Arbeits-Sinn erlernen und weitergeben

Die Zahl der Menschen, die an Stress-Symptomen leiden ist im stetigen Steigen begriffen. Gerade die Pandemie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich viele die Fragen stellen, ob sie so weitermachen wollen wie bisher, was es zu verändern gilt und welcher Sinn im Berufsleben zu finden ist.

Der Lehrgang für Stressmanagement und Burnout-Prävention der EALU (https://www.ealu.at/ausbildungen-lehrgaenge/) ist an der sinnzentrierten Lehre Viktor Frankls orientiert. Sie erfahren, wie Sie Mensch davor bewahren können, nicht in die Stressfalle zu geraten, ein drohendes Burnout sich noch vermeiden lässt, wie Beruf zur Berufung wird und persönliche Sinn- und Wertefindung zu mehr Arbeitszufriedenheit führen.


Autorin: Andrea Glehr-Schmit, MSc.

  • Dipl. Lebens- & Sozialberaterin
  • WKO zertifizierte Expertin für Stressmanagement & Burnout Prävention
  • WKO zertifizierte Expertin für Supervision
  • WKO zertifizierte Expertin für Paarberatung
  • Achtsamkeits- & Entspannungstrainerin
  • Waldbaden-Trainerin

Tel +43 664/47 79 308
E-Mail www.stuetzpkt.at
Web info@stuetzpkt.at


Literaturverzeichnis

Basler, S., & Gattinger, K. (2014). Die Dynamiken von Burnout. In Führen an der Leistungsgrenze-Instrumentarium für Führungskräfte. Wiesbaden: Springer Gabler.

Kaluza, G. (2018). Stressbewältigung – Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. Springer.

Martens, J.-U., & Begus, B. (2018). Stuttgart: W. Kohlhammer.

Simon, J. (2020). Selbstverantwortung im Unternehmen: Was Sie als Führungskraft dafür tun können. Freiburg: Haufe-Lexare.

 

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